Europäische Bildung und Beredsamkeit. Über die Macht der Worte (Vortragsreihe "Kritik und Bildung – wie Orientierung entsteht")
Kostenfrei
Vortragsreihe "Kritik und Bildung – wie Orientierung entsteht" an der Hochschule Konstanz
Die Vortragsreihe wendet sich ausdrücklich an ein Publikum ohne Vorkenntnisse in Philosophie, Ideen- oder Kulturgeschich -te, hat also einführenden Charakter.
Veranstaltungsdetails
Öffentlicher Vortrag von Prof. Dr. Gert Ueding; Universität Tübingen
Ist Bildung ein erwerbbarer Besitz, den man getrost nach Hause tragen kann, wenn man die dafür zuständigen Bildungsinstitute durchlaufen hat? Oder ist sie eine Entwicklung, ein Prozess der fortschreitenden Veränderung, niemals fixes Resultat? Ist sie eine Arbeit am Selbst, eine Art persönliches Trainings programm, oder braucht es dazu die Auseinandersetzung mit dem Draußen, mit der sozialen und natürlichen Welt? Bedarf es der Sprache, der Unterredung, des Streitgesprächs? Am Anfang des europäischen Bildungsgedankens steht die Einheit des Menschen als eines sprachlichen und politischen Wesens, der Redewettstreit, der zum Handeln führt, dem Handeln vorausgeht und die Bedingung dafür ist, dass unter den vielen Möglichkeiten, die wahrscheinlich beste sich herausexperimentiert. Sorge um die Sprache ist also Sorge um das allen Gemeinsame, was heute sehr schwammig unter dem Begriff Kultur gemeint ist. Durch alle Verfälschungen ist dieses Idealbild mehr oder weniger ausdrücklich, mehr oder weniger verkürzt bis heute wirksam geblieben, steht freilich auch (Stichwort »künstliche Intelligenz«) in der Gefahr, zu verschwinden und den Vorstellungen eines Marionettendaseins Platz zu machen.
Gert Ueding hat Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in Köln und zudem Rhetorik in Tübingen studiert. Bei Walter Jens promovierte er über »Schillers Rhetorik«. Ueding arbeitete an der TU Hannover als Assistent des Literaturwissenschaftlers Hans Mayer, in Tübingen beim Philosophen Ernst Bloch. Nach der Habilitation erfolgte der erste Ruf 1974 auf eine Professur für Literaturgeschichte mit besonderer Berücksichtigung der Literatursoziologie an die Universität Oldenburg, von 1984 bis 2009 lehrte er als ordentlicher Professor für Rhetorik an der Universität Tübingen. Zudem war er bis 2012 Gastprofessor an der Universität St. Gallen. Mitglied zahlreicher Jurys, darunter der Bücherbestenliste, des Ingeborg-Bachmann-Preises oder des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. Autor wissen-schaftlicher Bücher zur Rhetorik, Literatur, Ästhetik. Herausgeber des 12-bändigen »Historischen Wörterbuchs der Rhetorik«. Jüngste Veröffentlichungen: »Wo noch niemand war. Erinnerungen an Ernst Bloch« (2016); »Herbarium« (Campus -krimi, 2021); »Bloch, Jens und Mayer – die Tischgesellschaft der Julie Gastl« (autofiktioneller Gesprächsroman, 2024)
Vortragsreihe "Kritik und Bildung – wie Orientierung entsteht":
Kritik ist seit der griechischen Antike Wert und Methode zugleich und dürfte ein Grund baustein von Bildung sein. Bil dung ist bekanntlich mehr als das Verfügen über Fach wissen, und sie erschöpft sich nicht in beruflicher Kompetenz. Bildung solle, so wird oft vermutet, dem Menschen dabei helfen, seine Persön lichkeit zu entwickeln und zu gestalten, seinen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und ihm gar Orientierungs wissen an die Hand geben. Selbstredend sind basale Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen Voraussetzung im Erwerb von Bildung. Was aber gehörte schon immer und was gehörte in unseren Tagen dazu? Was sollte man lernen, können, wissen, um Kritik nutzen und üben zu können? Sollte man über rhetorisches Wissen und Fähigkeiten verfügen, gar logisch denken und argumentieren können? Diesen und weiteren Fragen wird die Vortragsreihe nachgehen.